Fachkraft für Chancengleichheit und Barrierefreiheit

Erblindete Frau wird Peer-Beraterin für Sehbeeinträchtigte

Kurze anonyme Beschreibung der MitarbeiterIn mit Behinderung

Frau A.M. , 24 Jahre, hat eine Hauptschule für Blinde und Sehbehinderte besucht. Nach der Schule Besuch einer Orientierungsklasse des Bundesblindendinstituts in Wien. Ihre Berufswünsche drehten sich immer in Richtung soziale Berufe. Mit ihrer Sehbeeinträchtigung konnte sie damals in diesen Bereichen jedoch keine Ausbildung machen.

Frau A.M. hat dann bei innovia eine Ausbildung zur Fachkraft für Chancengleichheit und Barrierefreiheit absolviert. Zwischenzeitlich ist fast zur Gänze erblindet. Sie arbeitet inzwischen als Ko-Trainerin in der beruflichen Qualifizierung von jungen Menschen und bei Sensibilisierungsworkshops. Sie nutzt neben vielen technischen Hilfsmitteln die Braillezeile am PC oder einen Prompter und bedarfsorientiert eine Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz. In Co-Settings arbeitet sie auch mit TrainerInnen ohne Sehbeeinträchtigung.

Firmenbeschreibung

innovia – Service und Beratung zur Chancengleichheit ist eine gemeinnützige GmbH mit dem Sitz in Innsbruck. Das soziale Unternehmen mit derzeit 23 Mitarbeitenden setzt seit 2007 Angebote zur beruflichen Orientierung und Qualifizierung für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderung, für Jugendliche und für Menschen mit Fluchthintergrund in Form von Projekten um. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt stellt die Bildungs- und Berufsberatung dar. Die innovia Akademie versucht in Kooperation mit allgemeinen BildungsanbieterInnen zugängliche barrierefreie Bildung für alle Menschen zu ermöglichen. Mit „capito" bietet innovia Kompetenzen zur Gestaltung von barrierefreien Informationen.

FördergeberInnen sind hier vor allem das Sozialministeriumservice, jedoch je nach Projekt auch das Land Tirol, andere Ministerien und der Europäische Sozialfonds. Es ist ein spezielles Prinzip von innovia, alle Dienstleistungen mit qualifizierten Peer-TrainerInnen bzw. Peer-UnterstützerInnen umzusetzen bzw. bevorzugt ArbeitnehmerInnen aus dem Kreis der begünstigt behinderten ArbeitnehmerInnen oder Personen mit Migrations- bzw. Fluchterfahrung zu beschäftigen. Derzeit haben von den 23 angestellten MitarbeiterInnen sieben Personen eine Beeinträchtigung und 2 einen Migrationshintergrund.

Arbeitsplatzbeschreibung

Die umfangreiche technische Arbeitsplatzadaptierung für Frau M. wurde vom Tiroler Blinden- und Sehbehindertenverband bewerkstelligt. Im Laufe der letzten 8 Jahre mussten die Hilfsmittel auf Grund der fortschreitenden Erblindung häufig ausgewechselt bzw. adaptiert werden. Zusätzlich wurde natürlich beim Leitsystem in den Büroräumlichkeiten auf die Sehbeeinträchtigung besonders geachtet. Durch ihre Peer-Kompetenz wurde das Themenfeld Computertraining für Menschen mit Sehbeeinträchtigung zu einer Schwerpunkttätigkeit von Frau M. Weiters arbeitet sie als Ko-Trainerin im Projekt Job-Fit für Mädels.

Was waren die entscheidenden Beweggründe einen Menschen mit Behinderung einzustellen?

Für innovia gehörte es bereits zur Gründungsphilosophie verankert, alle Dienstleistungen mit MitarbeiterInnen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen oder mit Flucht- bzw. Migrationserfahrung umzusetzen. So können Mitarbeitende auf allen Kompetenzebenen einerseits als Vorbild wirken, wenn wir Beratungs-, Orientierungs- oder Qualifizierungsangebote für Menschen mit Behinderungen stellen. Es ermöglicht uns andererseits, den Blickwinkel unserer KundInnen auch über die Peer-Erfahrung in Konzept und Umsetzung der Projekte miteinzubeziehen.

Für das Aufgabenfeld „Beratung von Unternehmen zum Thema Arbeit und Behinderung" können wir auf viele verschiedene Umsetzungsbeispiele im eigenen Unternehmen zurückgreifen bzw. diese langjährigen Erfahrungen auch unseren KundInnen zur Verfügung stellen.

Vor allem jedoch gehört es zu unserer Vision, dass Ausbildung, Qualifizierung und Rekrutierung von allen Dienstleistungen der Behindertenhilfe irgendwann so weit ist, dass alle Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen, die in diesen Feldern arbeiten möchten, als Kolleginnen und Kollegen sehr gefragt sein werden.

Wie gelang der Rekrutierungsprozess? Vermittlung durch AMS oder Sonstige?

Hier stellt das Netzwerk in welches innovia eingebunden ist, die zielführendste Rekrutierungsform dar. Wie bei allen Unternehmen, die speziell Stellensuchende mit Lernschwierigkeiten oder Behinderungen ansprechen möchten, nutzen wir auch den Job-Fit Berater für Unternehmen (http://job-fit.innovia.at/de/info/), der die Stellen in diesem Netzwerk bewirbt. Alle Stellen werden auf www.innovia.at/ , dem AMS und in der Tiroler Tageszeitung ausgeschrieben und mit dem Zusatz versehen, dass wir uns speziell über eine Bewerbung von Arbeitsuchenden mit Lernschwierigkeiten oder einer Behinderung freuen.

Welche begünstigenden oder hinderlichen Faktoren gab es beim Arbeitsbeginn?

Wir konnten bei allen diesen drei erwähnten MitarbeiterInnen von Anfang an auf die Unterstützung von Arbeitsassistenzeinrichtungen, auf Technische Assistenz und auf Beratung und Förderung zur Abgeltung eventueller Minderleistungen durch das Sozialministeriumservice zurück greifen. Dadurch wurde uns bei jeder Person der Arbeitsbeginn sehr erleichtert.

Wenn es Stolpersteine gab, wie wurden diese beseitigt?

Stolpersteine stellen bei innovia vor allem die immer wieder neuen Arbeitsaufgaben durch die veränderten oder neuen Projekte dar. Das betrifft alle MitarbeiterInnen, jedoch MitarbeiterInnen mit adaptierten Arbeitsplätzen besonders. Diese Arbeitsplatzgestaltung kann also nicht nur zu Beginn erfolgen, sondern muss auch bei Änderungen wieder durchgeführt werden. Dies ist jedoch durch die immer wieder mögliche Heranziehung von Technischer Assistenz oder den Unterstützungseinrichtungen der Arbeitsassistenz möglich.

Waren spezielle Ausbildungsmaßnahmen erforderlich?

Da vor allem die Ko-TrainerInnen keine sozialpädagogische Ausbildung absolviert haben bzw. nicht zugelassen wurden, hat innovia diese selbst ausgebildet. Dies erfolgte in einem dafür genehmigten Projekt für acht Personen die auch für die Mitarbeit in anderen Dienstleistungsorganisationen zur „Fachkraft für Chancengleichheit und Barrierefreiheit" qualifiziert wurden.

Wurden externe Unterstützungsmaßnahmen in Anspruch genommen und wenn ja, welche?

Was hat letztendlich dazu beigetragen, dass Herr/Frau X nach wie vor in Ihrem Unternehmen tätig ist?

Es war die KollegIn selbst, die zu einem kooperativen, engagierten, flexiblen, sozial-kompetenten und sorgfältig arbeitenden Teammitglied wurde und unser Gesamtteam bereichert.

Was würden Sie als UnternehmerIn, anderen Unternehmen an Lernerfahrungen/Empfehlungen mitgeben?

  • Suchen Sie Wege und Lösungen und keine Begründungen für Ablehnungen auf Grund mangelnder formaler Kompetenzen
  • Nutzen Sie die Chance, die Ihnen eine Bewerbung ihrer offenen Stellen bei Arbeitsuchenden mit Lernschwierigkeiten und Behinderungen bietet, neue interessante Fachkräfte zu finden! Geben Sie Ihrem Team die Möglichkeit, neue Kooperationserfahrungen zu machen!
  • Geben Sie sich allen einen Raum für Entwicklungserfahrungen, die den Arbeitsplatz menschlicher, kompetenter und bereichernder machen!

(c) Sozialministerium in Kooperation mit dem Sozialministeriumservice